Am 11. Juni 2021 war es dann endlich soweit: Der Bundestag hat das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) beschlossen. Das Gesetz, auch als Lieferkettengesetz und Sorgfaltspflichtengesetz bezeichnet, tritt am 1. Januar 2023 in Kraft. Alles, was Sie über das kommende Gesetz wissen müssen, erfahren Sie im Folgenden.

Hintergrund

Wollte man bei der Namensgebung eine ironische Anspielung auf die Länge der geführten Debatten machen? Vermutlich eher nicht – dass das Gesetz eine schwere Geburt war, steht jedoch außer Frage.  Bereits am 10. Februar 2019 berichtete die Nachrichtenseite TAZ von einem Vorschlag für ein sog. Wertschöpfungskettengesetz, erarbeitet vom Bundesentwicklungsministerium (BMZ) unter Gerd Müller. Dieses Gesetz soll Unternehmen dazu verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, die dazu dienen, Menschenrechte in der Wertschöpfungskette zu schützen – die sogenannte menschenrechtliche Sorgfaltspflicht.

Kaum waren die Pläne an die Öffentlichkeit gelangt, entbrannte eine heftige Debatte: Haben Unternehmen in Deutschland überhaupt einen Einfluss darauf, was in deren Lieferkette passiert? Wird ein solches Gesetz zu Wettbewerbsnachteilen anderen Ländern gegenüber führen? Sollte man Umweltauswirkungen mit aufnehmen?

Das nun beschlossene LkSG ist ein Kompromiss:

  • einerseits bedeutet das Gesetz nichts weniger als einen Umbruch von der freiwilligen unternehmerischen Verantwortung hin zur gesetzlich vorgeschriebenen Sorgfaltspflicht.
  • Andererseits wurden die Anforderungen deutlich abgeschwächt, beispielsweise bei der Überwachung von indirekten Lieferanten. Auch fehlt die zivilrechtliche Haftung.

In diesem Beitrag fassen wir gerne die Eckpunkte zusammen.

Das Wichtigste in Kürze

Neu sind die Anforderungen des LkSG eigentlich nicht: Sie basieren auf den Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen, die bereits 2011 veröffentlicht wurden. In Deutschland wurde 2016 auf Basis dieser Leitprinzipien der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) verabschiedet.

Die fünf Kernelemente der Sorgfaltspflicht

  1. Eine öffentliche Grundsatzerklärung  zur Achtung der Menschenrechte ist vorhanden
  2. Ein Verfahren zur Ermittlung tatsächlicher und potenziell nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte besteht  (Risikoanalyse).
  3. Entsprechende Maßnahmen zur Abwendung und Kontrollen ihrer Wirksamkeit sind eingeführt.
  4. Es erfolgt eine Berichterstattung.
  5. Das Unternehmen etabliert oder beteiligt sich an einem Beschwerdemechanismus.

Für Unternehmen, die sich bereits an den Leitprinzipien der VN orientieren, sollten keine bedeutenden Anpassungen erforderlich sein. Unternehmen, die sich mit den Leitprinzipien und den Anforderungen des NAP noch nicht auseinandergesetzt, sondern das Ergebnis der Gesetzgebungsinitiativen abgewartet haben, müssen schnell handeln – sonst drohen nicht nur Klagen und Bußgelder, sondern auch Reputationsschäden und Störungen in der Lieferkette.

Welche Unternehmen sind betroffen?

Das Lieferkettengesetz wird ab dem 1. Januar 2023 für Unternehmen ab einer Größe von 3000 Mitarbeiter*innen gelten. Ab dem 1. Januar 2024 gilt das Lieferkettengesetz ab einer Unternehmensgröße von 1000 Mitarbeiter*innen. Dabei ist zu beachten, dass für die Mitarbeitendenzahl nur die im Inland beschäftigten Arbeitnehmenden sowie ins Ausland entsandte Mitarbeitende berücksichtigt werden. Für ausländische Unternehmen, die eine Zweigniederlassung in Deutschland haben, gilt das Gesetz nur, wenn sie in Deutschland die bereits genannten Mitarbeitendenzahlen überschreiten.  

Unternehmen, die nicht direkt von dem LkSG betroffen sind, wären allerdings gut beraten, sich trotzdem mit den Anforderungen auseinanderzusetzen. Erstens ist mit einem Anstieg von Kundenfragen und von Kunden und Kundinnen initiierten Kontrollmaßnahmen zu rechnen. Zweitens besteht auch die Möglichkeit, dass der Geltungsbereich aufgrund der EU-Gesetzgebungsinitiativen erweitert wird (s. unten).

Was wird von den betroffenen Unternehmen 
verlangt?

Das LkSG beschreibt eine Bemühungspflicht, keine Erfolgspflicht. Das bedeutet: Unternehmen müssen nicht garantieren, dass in ihren Lieferketten keine Menschenrechte verletzt werden oder gegen Umweltpflichten verstoßen wird. Vielmehr müssen sie nachweisen können, dass sie sich bemüht haben, Risiken zu identifizieren und zu beseitigen, dass Beschwerdemöglichkeiten vorhanden sind und wo nötig Abhilfe geschaffen wird.

Unternehmen sollen dem LkSG nach ihre gesamte Lieferkette im Blick haben, aber abgestuft dafür verantwortlich sein. Dies bedeutet, dass die deutschen Unternehmen zunächst nur für ihre direkten Zulieferer verantwortlich sind, nicht für die Zulieferer der Zulieferer.

Wird einem Unternehmen allerdings ein Missstand in der Lieferkette bekannt, soll es verpflichtet werden, für Abhilfe zu sorgen. Sobald einem deutschen Unternehmen nachgewiesen werden kann, dass es von Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette wusste, aber nichts dagegen unternommen hat, können hohe Bußgelder verhängt werden. Außerdem können Unternehmen bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.

Die Kontrolle darüber übernimmt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Die Behörde soll ein „robustes Mandat“ bekommen und kann damit vor Ort Kontrollen vornehmen und Strafen verhängen, so Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Darüber hinaus sollen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften künftig die Möglichkeit bekommen, im Auftrag von ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gegen Menschenrechtsverletzungen Klage zu erheben. Bisher konnten Geschädigte selbst klagen, dies scheiterte in der Praxis jedoch oft an den Lebensumständen.

Was das für die Rechtsprechung auf 
EU-Ebene bedeutet

Auch auf EU-Ebene gibt es Bestrebungen, eine Verordnung in Bezug auf die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht zu etablieren. Derzeit drängt das EU-Parlament die Kommission zur Ausgestaltung einer EU-weiten Verordnung. Der Vorstoß von Deutschland, der größten Volkswirtschaft in der Union, könnte diesen Prozess jedoch beschleunigen. Da das LkSG erst in 2023 in Kraft tritt, ist es sogar möglich, dass die deutsche Gesetzgebung schon der erwarteten EU-Verordnung angepasst werden muss, noch bevor das LkSG überhaupt in Kraft tritt.

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Autor
Dr. Thijs Willaert

Dr. Thijs Willaert ist Global Director Sustainability Services. In dieser Funktion verantwortet er das gesamte Dienstleistungsportfolio der DQS rundum ESG. Zu seinem Interessensgebiet gehören unter anderem nachhaltige Beschaffung, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und ESG-Audits. 

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