Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist zweifellos ein wichtiger Aspekt im Arbeitsumfeld. Entscheidende Anforderungen und Impulse dafür entstammten bis vor Kurzem einzig der Spezifikation DIN SPEC 91020. Seit 2018 ist mit DIN ISO 45001 eine internationale Norm für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (SGA) auf dem Markt. Die ISO-Norm rückt ein systematisches Risikomanagement und Aspekte psychischer und physischer Gefährdungen stärker in den Fokus, als ihre Vorgängerversion BS OHSAS 18001. Bereits damals kam die Frage auf, ob die DIN-Spezifikation für den Aufbau eines nachhaltigen Betrieblichen Gesundheitsmanagements künftig hinfällig wird. Erfahren Sie mehr.

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Ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist ein strukturierter Prozess, der Maßnahmen zu einem ganzheitlichen System zusammenfügt. Statt an einzelnen Stellschrauben zu drehen, geht es bei einem ganzheitlichen BGM um einen strategischen Ansatz, der psychische, physische und soziale Komponenten einbezieht und alle Beschäftigten im Unternehmen, zum Beispiel auch Leiharbeiter, ins Boot holt.

Gerade im Ansatz einer systematischen und nachhaltigen Vorgehensweise verdeutlicht sich der Unterschied zur betrieblichen Gesundheitsförderung, die vor allem punktuelle und zeitlich befristete Maßnahmen enthält. Nordic Walking allein reicht also nicht aus.

 

Betriebliches Gesundheitsmanagement und Unternehmenskultur

Mit Blick auf die Beschleunigung der Arbeitswelt, die zunehmende Digitalisierung, künstliche Intelligenz und den Fachkräftemangel sprechen wir derzeit von einem kompletten Wandel der Unternehmenskulturen – mit neuen Methoden, Handlungsinstrumenten und weitreichenden Vernetzungen in alle Richtungen. Manche Unternehmenskultur ist noch weit davon entfernt, was heute notwendig zu sein scheint.

Das bedeutet, dass sich vor allem in der Unternehmensführung etwas bewegen muss, um genau diese neue Kultur entstehen zu lassen. Das Schlagwort dazu lautet heute: Digital Leadership. Die Aufgabe: Die digitale Zukunft von Unternehmen so zu gestalten, dass Mitarbeiter individueller und flexibler mit Arbeit und Privatem umgehen können.

 

BGM und Führung

Ein wesentliches Element für den Erfolg eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements sind die Führungskräfte: BGM ist Chefsache!

Die Spezifikation DIN SPEC 91020 formuliert die Anforderungen an das Führungsverhalten in Kapitel 5. So soll etwa die Organisation durch ihre Werte, ihr Leitbild und ihre Führungsgrundsätze sicherstellen, dass der Beitrag jedes Mitgliedes zum Erfolg des Unternehmens „wertgeschätzt“ wird. Wer Normen kennt, weiß, dass dieses Wort im Normenjargon sonst nicht verwendet wird. Die BGM-Norm ist die einzige Norm, die die „Wertschätzung“ gezielt im Zusammenhang mit Führung einsetzt.

Wertschätzung steht in diesem Kontext für das ehrliche Interesse der Unternehmensführung an der Gesundheit der Mitarbeiter. Es verdeutlicht, dass die oberste Leitung davon überzeugt ist, dass Betriebliches Gesundheitsmanagement wichtig ist. Es ist nicht nur ein Mittel zum Zweck, sondern eine neue Form von Leadership, die eine neue Arbeitsweise mit sich bringt.

Und: Diese neue Arbeitsweise endet nicht am Arbeitsplatz, sondern geht weit darüber hinaus bis ins Privatleben. Diese Führungskräfte beobachten den sie umgebenden Kontext im Sinne der internen und externen Themen und leiten daraus Leistungsmöglichkeiten für künftige Anforderungen ab.

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Führung und Verpflichtung in DIN ISO 45001

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  • Fürsorgepflicht für die anvertrauten Mitarbeiter
  • Ursache und Wirkung
  • Kultur des Vertrauens
  • Klassische (SGA-)Mängel

Die Frage, ob die Spezifikation für ein Betriebliches Gesundheitswesen (BGM) weiterhin Bestand haben soll, ist durch das DIN (Deutsches Institut für Normung) beantwortet: Laut einem Beschluss des NAOrg-Beirats (08/2020) wurde DIN SPEC 91020 zurückgezogen.

Zur Begründung: Die für BGM wesentlichen Aspekte werden von DIN ISO 45001 weitgehend aufgegriffen, sodass es für die BGM-Spezifikation keinen Bedarf mehr gibt. Ob allerdings Unternehmen die vergleichsweise einfach zu implementierende, in ihren Anforderungen eher sanfte Spezifikation gegen die ganz anders agierende, wesentlich komplexere und strengere ISO-Managementsystemnorm eintauschen werden, bleibt abzuwarten.

Aber auch wenn es in Zukunft keine akkreditierten Zertifikate der Spezifikation DIN SPEC 91020 mehr geben wird: Ihr Inhalt ist durch die Rücknahme nicht weniger aktuell, sondern seit Pandemiebeginn begehrter denn je.

Es empfiehlt sich in jedem Fall, zusätzlich zu einem bestehenden SGA-Managementsystem gemäß ISO 45001 jene BGM-Anforderungen zu implementieren, die die ISO-Norm nur zum Teil berücksichtigt. Und: Das sind bei genauer Betrachtung einige. Dieser Beitrag hebt deshalb noch einmal die wesentlichen Aspekte der zurückgezogenen Spezifikation hervor.

 

Mitarbeitergesundheit als strategischer Erfolgsfaktor

Ganz gleich, wie groß oder klein Ihr Unternehmen ist: Unabhängig von der Verantwortung, die es gegenüber den Mitarbeitern hat, ist deren psychische und physische Gesundheit vor allem betriebswirtschaftliche Notwendigkeit und die Basis des Geschäftserfolges. Gesundheit und Zufriedenheit im Berufsalltag tragen nachweislich zu weniger krankheitsbedingten Fehlzeiten und einer höheren Leistungsfähigkeit bei.

Es liegt also auf der Hand, warum Betriebliches Gesundheitsmanagement für jedes Unternehmen wichtig ist.

 

Was umfasst ein Betriebliches Gesundheitsmanagement?

Die zurückgezogene DIN-Spezifikation DIN SPEC 91020 beschreibt das BGM als eine „systematische und nachhaltige Gestaltung von gesundheitsförderlichen Strukturen und Prozessen einschließlich der Befähigung der Organisationsmitglieder zu einem eigenverantwortlichen, gesundheitsbewussten Verhalten“. Damit wird deutlich: Es geht sowohl um die Rahmenbedingungen als auch um ein gesundheitsförderndes Verhalten der Beschäftigten.

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BGM AUF BASIS DER DIN SPEC 91020

Trotz des Rückzugs der Spezifikation durch das DIN: die Auseinandersetzung mit BGM bleibt wichtig! Erfahren Sie mehr in unserem kostenfreien Leitfaden:

  • Interpretation ausgewählter Normanforderungen
  • Wie können die Anforderungen in die Praxis umgesetzt werden?
  • Wo liegt der Nutzen für mein Unternehmen?

„Wertschätzung ist mehr als Lob und Anerkennung – es ist eine Einstellung, die immer auch den Menschen sieht und nicht nur dessen Ertrag.“

Wertschätzung ist ein zentrales Bedürfnis der Menschen – im Berufsleben genauso wie im Privatleben. Wir wollen mit dem, was wir sind, was wir machen und geleistet haben, gesehen und anerkannt – eben wertgeschätzt – werden. Richtig angewendet, setzt Wertschätzung enorme Kräfte frei und wirkt motivierend. Achtlos verschleudertes Lob nach dem Gießkannenprinzip bewirkt das genaue Gegenteil: Der Betroffene spürt die Absicht dahinter und ist verstimmt.

DIN SPEC 91020 bietet die Basis für ein Commitment der obersten Unternehmensleitung, ein entsprechendes Bewusstsein bei allen Beteiligten zu schaffen: Kein Mitarbeiter und keine Aufgabe ist irrelevant.

 

Gesundheit als Managementaufgabe

Im Sinn von BGM ist die Balance von Produktivitätszuwachs und Wettbewerbsvorteil im Einklang mit dem Wohlbefinden und nachhaltiger Gesundheit der Beschäftigten das höchste Gut einer Organisation.

Tatsache ist, das Modell der Work-Life-Balance hat ausgedient. In einer Zeit, in der wir digital immer mehr vernetzt sind, verschwimmt die Linie zwischen Berufs- und Privatleben. Je angestrengter wir versuchen, diese beiden Komponenten zu trennen, desto mehr konkurrieren sie zueinander.

Kann man noch von einer Work-Life-Balance sprechen, wenn private Social Media Kanäle im Büro genutzt oder Zuhause berufliche E-Mails gelesen werden? Im Homeoffice arbeitet oder die ganze Woche auf Dienstreise im Hotel verbringt?

Wenn wir Balance mit Gleichgewicht assoziieren und beiden Teilen die gleiche Gewichtigkeit zuschreiben, müssen wir uns die Frage stellen, ob nicht eine Integration beider Teile zu mehr Ausgeglichenheit führen würde. Wir möchten unseren privaten Verpflichtungen nachkommen, aber auch beruflich up to date sein. Eine Ausbalancierung erfordert Prioritätensetzung, die nicht immer möglich ist. Daher hat sich ein neuer Begriff manifestiert: die Work-Life-Integration.

 

Betriebliches Gesundheitsmanagement der Zukunft

Die Zukunft der Work-Life-Integration liegt im Zusammentreffen mit dem digitalen Zeitalter und den Anforderungen an die Mobilität. Je digitaler Unternehmen werden, desto flexibler stellen wir uns zukünftige Arbeitsschritte und Prozesse vor. Hier besteht die entscheidende Verbindung zur Work-Life-Integration.

Es wird künftig von Mitarbeitern erwartet, mit digitalen Innovationen am Arbeitsplatz Schritt zu halten und zielgerichtet zu arbeiten. Andererseits wird es aber auch zum Alltag gehören, Meetings von Zuhause aus abzuhalten oder privaten Verpflichtungen in der Arbeitszeit nachzukommen und digital mit dem Arbeitsplatz vernetzt zu sein. Die Zukunft von Unternehmen und Mitarbeitern wird dadurch individueller und flexibler.

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Organisationen müssen flexibel auf den Fachkräftemangel reagieren und bewusster einkalkulieren, dass sich qualifizierte Mitarbeiter nicht immer vor der Haustür befinden.

Wie hoch dürfen Ansprüche an die Verfügbarkeit von Personalressourcen sein? Wie gehen wir künftig mit Geschäftsreisen oder mit Mitarbeitern auf Baustellen um, die tagelang in Hotelzimmern leben? Grenzen zwischen Privat und Beruf verschwimmen. Die Folge sind Ausnahmesituationen, die nichts mit den normalen Lebensgewohnheiten zu tun haben und nicht immer das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit fördern.

 

Warum ist ein betriebliches Gesundheitsmanagement wichtig? 

Hohe Marktdynamik und die Zunahme disruptiver, die Marktstruktur verändernder Innovationen zwingen Führungskräfte zu flexiblem und immer schnellerem (Re-)Agieren. Wer weiterhin im Zeitalter der Digitalisierung am Markt erfolgreich bestehen möchte, muss agil und flexibel auf die Veränderungen vorbereitet sein. Oder besser: diese selbst vorantreiben. Dies erfordert ein Umdenken aller Beschäftigten eines Unternehmens bis hin zu einer neuen Arbeitsweise.

Gefragt ist eine Einstellung, die zwei bisher getrennte Lebensbereiche Beruf und Privatleben mehr zusammenfügt und integriert. Dies ist aber nur im Einklang mit Wohlbefinden und nachhaltiger Gesundheit aller Beschäftigten möglich. Denn die Gesundheit endet eben nicht beim Verlassen des bereitgestellten, sicheren und gesundheitsgerechten Arbeitsplatzes.

 

Vorteile eines betrieblichen Gesundheitsmanagements

Unternehmen haben erkannt, dass ein effektives Gesundheitsmanagement allen Beteiligten nutzt, den Mitarbeitern wie dem Unternehmen selbst. Und die zahlreichen Vorteile, von denen beide Seiten profitieren können, liegen unmittelbar auf der Hand:

  • gesunde und zufriedene Mitarbeiter mit hoher Leistungsfähigkeit und Motivation
  • bessere Balance zwischen beruflichen und privaten Anforderungen
  • verbesserte Arbeitsqualität und Produktivität durch Reduzierung krankheitsbedingter Fehlzeiten
  • größere Handlungssicherheit hinsichtlich relevanter Gesetze und Anforderungen
  • gezielte Vorbereitung auf die Folgen des Demografischen Wandels
  • verbessertes Betriebsklima und eine Verbesserung des Arbeitgeberimages
  • Signalwirkung im Wettbewerb um hochqualifizierte Mitarbeiter
  • und vieles mehr

Die Einführung eines ganzheitlichen BGM-Systems ist die Lösung mit vielen Chancen – es sollte nicht als Belastung aufgefasst werden.

 

Betriebliches Gesundheitsmanagement und ISO 45001

Betriebliches Gesundheitsmanagement gemäß der zurückgezogenen Spezifikation DIN SPEC 91020 versteht sich als: „Systematische sowie nachhaltige Schaffung und Gestaltung von gesundheitsförderlichen Strukturen und Prozessen einschließlich der Befähigung der Organisationsmitglieder zu einem eigenverantwortlichen, gesundheitsbewussten Verhalten.“

Es stellt die Mitarbeiter der Organisation und deren Verhaltensänderung in den Mittelpunkt. Ziel ist es, ein Umdenken aller herbeizuführen. Ein generelles Umdenken endet nicht beim Verlassen des Arbeitsplatzes. Daher geht BGM weit über den Arbeitsplatz hinaus. Denn nur wer seine Einstellung und sein Verhalten zum gesunden Leben hin verändert, hat berufliche Vorteile und ein größeres Wohlbefinden.

Klassischer Arbeits- und Gesundheitsschutz hingegen unterliegt strengen gesetzlichen Vorschriften und behördlichen Auflagen. Auch DIN ISO 45001 beschränkt sich deutlich auf den Arbeitsplatz. Die Intention ist die Bereitstellung von sicheren und gesundheitsgerechten Arbeitsplätzen, indem arbeitsbedingte Verletzungen und Erkrankungen vermieden werden und ihre SGA-Leistung verbessert wird.

Natürlich wird auch in einem SGA-Managementsystem der notwendige Kulturwandel gefordert. Auch hier müssen interne und externe Themen im Kontext der Organisation gesehen werden. Im Vordergrund stehen allerdings die Arbeitsplatzgestaltung und die Leistungsverbesserung.

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Hinweis: Wir verwenden aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum. Die Direktive schließt jedoch grundsätzlich Personen jeglicher Geschlechteridentitäten mit ein, soweit es für die Aussage erforderlich ist.

Autor
Nadja Götz

Produktmanagerin ISO 9001 sowie DQS-Expertin für Gesundheitsmanagementsysteme und BSI-KRITIS-Prüfungen, Auditorin und Produktmanagerin für diverse Qualitätsstandards der Rehabilitation sowie der stationären und ambulanten Versorgung.

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